Zum Hirtenfest vom Schulipatt

Von Emma Späth - Ein Gedicht im hessischen Dialekt mit hochdeutscher Übersetzung

Audio Zom Hörtefest vom Schulipatt
vo Ruhse Emma en Platt
Zum Hirtenfest vom Schulipatt
von Emma Späth in Hochdeutsch
Aich mecht hej koa gruß Reed hall,
aich schinejern maich e' bissche vier de Leu all,
drim hu aich alles geschriwwe off en Zill,
doa zoum auswennich lern er es mir ze vill.
Ich möchte heute keine große Rede halten,
ich schäme mich etwas vor all den Leuten,
drum habe ich alles auf einen Zettel geschrieben,
denn zum auswendig sagen ist es mir zu viel.
Sonst hu mir Waibsleu joa net vill ze soa,
besonnersch net en Sache vo d'r Gemoa,
do soa de Mannsleu: "Dej un de Kenn
hu hej naut ze schwetze dren!"
Owwer hau sai m'r wohl all zesohme
zoum Hörtefest vom Schulipatt komme,
do deffe mir Weibsleu aach mohl woas soa,
sugoar en Sache vo d'r Gemoah.
Sonst haben wir Frauen ja nicht viel zu sagen,
besonders nicht in Sachen der Gemeinde,
da sagen die Männer: "Frauen und Kinder
sollen hier nicht dreinreden!"
Aber heute sind wir alle zusammen
zum Hirtenfest vom Schulipatt gekommen,
da dürfen die Frauen auch mal was sagen,
sogar in Sachen der Gemeinde.
Do fier de Gemoa hoat foffzig Juhr,
dinkt auch mohl, worr' en lang Dur,
Schulipatt des Vej gehout,
aich glawe net, dess des mancher dout.
Su en ganze Doag off d'r Vejwaa ze stieh,
wu keeme mir do mit uus Nerve hie.
Mitinner hoat m'r aach halsstarrig Vej,
des gitt 'em Willhelm durch,
doa horr' es noch net gesej.
Für die Gemeinde hat fünfzig Jahre,
denkt einmal, welch lange Zeit,
Schulipatt das Vieh gehütet.
Ich glaube nicht, dass viele das tun.
Einen ganzen Tag auf der Viehweide zu stehen,
wo käme man da mit den Nerven hin.
Machmal hat man halsstarriges Vieh,
das geht dem Wilhelm durch,
kaum hat er sich's versehn.
D'r Hond, der hört en aach net immer,
un mecht de Sach noch vill schlimmer,
er jeht des Vejh, Hals üwwer Kopp,
oafach stracks de Vejwaa noab;
Schulipatt kimmt doa henner drenn,
er kann se owwer net mie halle en.
Do gitt's glaich wör de Vejwaa noff,
's Anna un de Alfred schloh doa droff.
Der Hund, der hört auch nicht immer,
und macht die Sache noch viel schlimmer.
Er jagt das Vieh, Hals über Kopf.
einfach die Vieweide hinunter.
Schulipatt läuft hinterdrein,
er kan sie nicht merh halten ein.
Dann geht es wieder die Wiehweide rauf,
Anna und Alfred schlagen drauf.
Em Sommer, wenn's off d'r Vejwaa es goar trocke,
un des Vej find noch net mohl en saftige Brocke,
doa will de Herd mit aller Gewaalt
oafach nüwwer en de Waald.
De Schoof sai schuh lang nammie debai,
dej laie em Distrikt zwo owwer drai,
den Herrn vo de Förschderai mecht aich hejmit saa,
nemmt's doch mit em Wilhelm net su genaa.
Wenn ihr em Waald fend poar Schoof owwer en Kou,
drickt doch emoal baare Aache zou!
Im Sommer, wenn's auf der Viehweide ist gar trocken,
und das Vieh findet nicht einen saftigen Brocken,
da will die Herde mit aller Gewalt,
einfach hinüber in den Wald.
Die Schafe sind schon lange nicht mehr dabei.
Sie liegen im Distrikt zwei oder drei.
Den Herren von der Försterei möchte ich sagen,
nehmt es mit dem Wilhelm nicht so genau,
wenn ihr im Wald findet Schaf oder Kuh,
drückt einmal beide Augen zu.
Schulipatt woar em Sonneschai un Roa
mastens m'r em Vej allo off d'r Waa.
Es woar em Juhr 27, dou koom e' en e' Gewö'ör,
dou schlugg de Blitz em zwoo Keu nö'ör.
Er loag bedäubt dou ganz do oowe,
im en rim deht es ganz förchterlich toowe.
Em Hörbst, wenn's kaalt wörd, örr es aach net schie,
em Wend un We'er bai d'r Vejherd ze stieh.
Schulipatt war bei Sonnenschein und Regen,
meistens mit dem Vieh auf der Weide.
Es war im Jahre 27, da kam ein Gewitter,
da schlug ihm der Blitz zwei Kühe nieder.
Er lag betäubt da ganz da oben,
um ihn rum war es furchtbar am toben.
Im Herbst, wenn's kalt wird, ist es auch nicht schön,
bei Wind und Wetter bei der Viehherde zu stehen.
Su hoatt em Lääwe alles sai zwo Saire,
Schulipatt kann de Gaaße net laire,
Er seeht: "M'r hott sai Last mit dem langhuhrige Vej,
dej sai su neuschierig un schnibbich wej de Waibsleu!"
Dej Schoof dogeeje horr'e recht gern,
dej doure em Sommer fai scheern.
En freuere Zaire dere se wösche en d'r Dill
dou tronke gemoanerhand poar Schnäps'cher zevill.
So hat im Leben alles seine zwei Seiten,
Schulipatt kann die Ziegen nicht leiden.
Er sagt: "Man hat seine Last mit dem langhaarigen Vieh,
es ist so neugierig und schnippisch wie die Frauen!"
Die Schafe dagegen hat er recht gern,
die tut er im Sommer fein scheeren.
In früherer Zeit hat er sie gewaschen in der Dill,
dann trank er ein paar Schnäpschen zuviel.
Wej des su Muhre es, rim en dim,
gitt de Kouhört zoum Esse off d'r Raih rim.
Baim Schulipatt brauch m'r net ze hall vill Kocherai,
eer isst oom lejbsde soiße Brai.
Doch wej e' wohl finf Doag nohnoa Brai musst esse,
dou saar'e: "Its will aich naut mih dovo wesse.
Aich esse ganz gern e' Stick Flaasch un Knoche,
ihr defft m'r aach alsmohl sonst wos gouts koche."
Wie es so Mode ist rundherum,
geht der Hirte zum Essen reihum.
Beim Schulipatt braucht man nicht viel Kocherei,
er isst am liebsten süßen Brei.
Doch als er fünfmal nacheinander Brei musste essen,
sagte er: "Davon will ich jetzt nichts mehr wissen.
Ich esse ganz gern ein Stück Fleisch und Knochen,
ihr dürft mir auch sonst mal was Gutes kochen."
Its murr aich noch erzehl, wej des es komme,
dess Schulipatt sich de Keu hot genomme,
sai Vodder deht en Drö'örroff heure des Vej,
un sai Christianpatt, der heuts dou hej.
Off e'mohl loacht der sich zom Sterwe hie
un saat ganz laise: "Aich kann naut mie."
Owwer d'r Wilhelm hoat en sich Hörteblout,
woas es des fier de Gemoa su gout.
Jetzt muss ich noch erzählen, wie es kam,
dass Schulipatt sich die Kühe nahm.
Sein Vater hütete in Driedorf das Vieh,
und sein Onkel Christian hütet's dann hier.
Auf einmal legt er sich zum Sterben hin
und sagt ganz leise: "Ich kann nicht mehr".
Aber der Wilhelm hat in sich Hirtenblut,
was ist das für die Gemeinde so gut.
E' poar Juhr vierher harr'e sain Ehstand gegrinnt,
hot sich en Fraa gesucht, wej m'r selten oa findt.
's Miele richt alles goar häuslich en
un schinkt em Wilhelm 10 gesonne Kenn.
Wenn de Wilhelm blejß oahm Holderstrauch off'em Horn
gings Miele aach mit - un wihrt's Vej vo vorn.
Se worn zefriere bainanner allezeit
un ginge zesohme durch Freud un Laid.
Ein paar Jahre vorher hat er seinen Ehestand gegründet,
hat sich eine Frau gesucht, wie man selten eine findet.
Die Miele richtet alles gar häuslich ein
und schenkt dem Wilhelm zehn gesunde Kinder.
Wenn der Wilhelm am Holderstrauch blies auf dem Horn,
ging Miele mit und wehrte dem Vieh von vorn.
Sie waren zufrieden beieinander allezeit,
sie gingen zusammen durch Freud und Leid.
Des oans murre de Leu noch wesse,
de Krieg hoat beim Schulipatt aach Licke geresse.
Zwi Jonge un en Enkel, gesond un schie,
dej meht d'r Schnitter Duud em hie,
un noch en Enkel un em Anna sai Mann
dej sai als immer noch net dahamm.
Oa gruß Maadche er 'em schu freuer gestorwe
dej Wund will aach net ganz vernorwe.
Das eine müssen die Leute auch wissen,
der Krieg hat beim Schulipatt auch Lücken gerissen.
Zwei Jungen und ein Enkel, gesund und schön,
die mähte der Schnitter Tod ihm hin.
Und noch ein Enkel und Annas Mann
sind noch immer nicht daheim.
Ein großes Mädchen ist ihm schon füher gestorben,
die Wunde will auch nicht ganz vernarben.
Net nur als Keuhirt wesse m'r Schulipatt ze schätze,
se dou sugoar en de Nochboargemoane dovo schwätze,
woas de Wilhelm all em Vej hoat gedou,
wej m'r em Krieg kunnt net immer en Dejeroarzt hu.
D'r oa hat woas o d'r Kou, d'r anner o d'r Gaaß,
se koome gelaafe mit Hinkel un Hoas.
Den Schoof, den horr' e de Kutte beschnörre,
de Säu horr' e bai Rootlaaf de Ader gelörre.
Nicht nur als Hirte weiß man den Schulipatt zu schätzen,
sogar in Nachbarorten tat man davon schwätzen,
was der Wilhelm dem Vieh hat getan,
wie im Krieg nicht immer der Tierarzt kam.
Der eine hatte was mit der Kuh, der andere mit der Ziege,
sie kamen gelaufen mit Huhn und Hase.
Den Schafen hat er die Klauen beschnitten,
die Schweine bei Rotlauf zur Ader gelassen.
Hej kimmt des Vejzeug allminoa
un mecht Schulipatt e' Dankeschön soa.
Nur de Kou hu m'r gelörre em Stall,
dej mecht us hej zouvill Krawall.
De Gaaß hoat Ingst, se greech oa gestriche,
drim ess se us ewwe noch ausgewiche.
Se lejs e' poar Kaffiebunn fall' off de Eer,
dej bringe m'r all Schuli Miele hej her.
Hier kommt das Vieh, alle miteinander
und möchten Schulipatt ein Dankeschön sagen.
Nur die Kuh haben wir gelassen im Stall,
diemacht uns hier zu viel Krawall.
Die Ziege hat Angst, sie würde geschlagen,
drum ist sie uns eben ausgewichen.
Sie ließ ein paar Kaffebohnen fallen auf die Erde,
die bringen wir alle Schuli Miele hierher.
Schulipatt es Noachtswächter näwebai
un aach noch e' Diener d'r Polizai.
gestern ging's Anna mit d'r Schell
un rejf: "Ihr Leu, said mohl all fai still,
de Bojemoaster hot zougeschickt krejt,
es wier ganz bestimmt,
dess en Abordnung vohm Landroatsamt zom Hörtefest kimmt.
Üwwerhaapt keeme noch mie huhe Herrn
dej diere mit ihrem Besuch usen Keuhört ehrn."
Dej Schell, dej Schulipatt 50 Juhr durft schwinge,
soll hau aach mo rai un hell durch's ganze Dorf klinge.
Schulipatt ist Nachtwächter nebenbei,
und auch ein Diener der Polizei.
Gestern ging Anna mit der Schelle,
und rief: "Ihr Leute, seid mal still,
dem Bürgermeister wurde geschickt,
es wär ganz bestimmt,
dass eine Abordnung vom Landratsamt zum Hirtenfest kommt.
Überhaupt kämen noch mehr hohe Herren,
die mit ihrem Besuch den Kuhhirten ehren."
Die Schelle, die Schulipatt 50 Jahr durfte schwingen,
sie soll auch heute rein und hell durch's Dorf erklingen.
Nou won m'r vier allem den net vergesse,
der Schulipatt su e' langes Läwe hoat zougemesse
un 's Miele aach noch lejß gesond,
drim woll mör' em danke aus Herzensgrond,
un üwwer dej zwaa Gottes Sehje erbitte,
des er se fernerhin noch mecht behüte.
Noch oans murr aich soa: "Wej wier des su schie,
wenn m'r en uuser Gemoa immer wej hau zesoame dere stieh."
Nun wollen wir vor allem den nicht vergessen,
der Schulipatt ein so langes Leben hat zugemessen,
und die Miele auch noch ließ gesund,
drum wollen wir ihm danken aus Herzensgrund,
und über die beiden Gottes Segen erbitten,
dass er sie fürderhin noch möge behüten.
Noch eins muss ich sagen: "Wie wäre das schön,
wenn uns're Gemeinde doch immer würde zusammen steh'n."